Robotik in der Pflege – trotz Hype noch ein langer Weg
Novembertagung der Gesundheitsregionplus in Rosenheim spricht über Robotik in der Pflege
Es sei ein Weg, der etwas unheimlich erscheine und trotzdem ein Thema, an dem man nicht vorbei komme. Mit diesen Worten umrissen der stellvertretende Landrat Huber und der Präsident der Technischen Hochschule in Rosenheim Prof. Dr. Heinrich Köster die heutige Lage in der Robotik in ihren Grußworten.
55 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Gesundheitswesen und Pflege ließen sich bei der Tagung an der Hochschule Rosenheim von Expertinnen und Experten über den aktuellen Forschungsstand der Robotik in der Pflege informieren.
Eine Podiumsdiskussion beleuchtete abschließend das Thema aus der Sicht von Bürgern, Politikern, Pflegekassen und Pflegepraktikern.
Wie entsteht der Hype um Robotik in der Pflege? Bekannt sind zum Beispiel die künstliche Robbe „Paro“, die man streicheln kann oder Pepper, der menschenähnliche großäugige Roboter, der sprechen, tanzen und reagieren kann.
Doch was nutzen diese Maschinen in der Pflege? Prof. Martin Müller, der an der TH Rosenheim zu Pflegewissenschaft lehrt und forscht, zeigte die Studienlage auf. Es gebe keine ausreichenden Belege dafür, dass es besser oder zufriedenstellender ist mit der Robbe zu spielen, als mit einem Stofftier.
Das ist aber deutlich preiswerter und vor allem technisch nicht störanfällig. Ähnlich sei es mit den Assistenzrobotern, wie Pepper. Auch hier ist unklar, wobei und wie sie in der stationären Pflege oder zu Hause unterstützen können.
„Ein Bezug zur Lebenswelt der Nutzenden sowie ein Nachweis von Wirksamkeit fehlen. Die Geräte sind bislang weit davon entfernt, in die breite praktische Anwendung überführt zu werden”, so sein Fazit.
Wie komplex Studien sein müssen, zeigten Prof. Müller und Lisa Burr von der TU München an einem Projekt, an dem sie gemeinsam arbeiten. Es geht nicht darum, dass ein Roboter funktioniert, an einer Stelle steht und zum Beispiel etwas heben kann.
Vielmehr ist ein Roboter erst dann nützlich, wenn er eine Aufgabe übernimmt, die im Alltag oder bei der Pflege entsteht. Solche Aufgaben nennt man „Szenarien“. In ihnen muss sich zeigen, ob der Roboter dem traditionellen Vorgehen überlegen ist und von den beteiligten Personen auch akzeptiert wird. Erst dann ist er nützlich.
Der Lehrstuhl für Robotik und Systemintelligenz, an dem Lisa Burr tätig ist, wird solche Studien in den nächsten Jahren durchführen. Die Leitung liegt bei Prof. Dr. Sami Haddadin, der als einer der internationalen Robotik-Spezialisten gilt.
In Garmisch-Partenkirchen entsteht ein Zentrum für Geriatronik. Dort konzentriert sich die Forschung auf die Frage, wie Robotik helfen kann, möglichst lange und selbständig in den eigenen Wänden leben zu können.
In einer Musterwohnung werden Spezialisten unterschiedlichster Fachrichtungen zusammen arbeiten und Antworten auf diese Frage suchen. Bis aber zum Beispiel eine Roboter“hand“, technisch gesprochen ein Greifer, ähnlich „feinfühlig“ sein wird, wie unsere Hand, dauert es allerdings noch.
Und was ist, wenn in der Zukunft einmal ein Roboter einen nützlichen Beitrag in der Pflege leisten kann? Darauf antwortete Ute Engelmann vom Caritas-Zentrum in Garmisch-Partenkirchen. Sie werden Helfer sein, aber keinesfalls Pflegekräfte ersetzen.
„Roboter ersetzen keine Beziehungsarbeit“ ist die Position des Caritasverbandes. Aus ethischer Sicht ist es außerdem unverzichtbar, dass alle technischen Installationen, und dazu gehört auch Robotik, vom Pflegebedürftigen persönlich gewollt und befürwortet werde.
Der Angst vor der Robotik entgegnete sie mit einem 100 Jahre alten Zitat von Henry Ford: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Das Auto war damals so undenkbar wie noch vor 20 Jahren das Smartphone.
Die abschließende Podiumsdiskussion rundete den Blick auf Robotik in der Pflege ab. Sie wurde von Evi Faltner moderiert, die das Mehrgenerationenhaus in Flintsbach leitet. Es sei wichtig, dass man anfange darüber zu sprechen, was man den alten Menschen zumute könne, forderte Prof. Müller.
Für den Landtagsabgeordneten Andreas Krahl von Bündnis90/Die Grünen hat die Situation in der Pflege das Potenzial für eine humanitäre Katastrophe. Es sei kein zentrales Problem, das öffentlich auffalle, sondern ein dezentrales, das sich in vielen einzelnen Schicksalen zeige. Wer denn die Kosten für Roboter in der Pflege zahlen solle, fragte Moderatorin Evi Faltner.
Dazu könne man heute noch nichts sagen, meinte Gerhard Potuschek, ehemaliger Geschäftsführer der Barmer Bayern. Vieles wisse man noch nicht: Wie sichert man die Qualität des Einsatzes, wer haftet, wenn etwas Unerwartetes geschieht? Erst wenn die Technik ausgereift und diese Fragen geklärt seien, könne man über die Finanzierung reden.
Josef Rester von der Bürgerhilfe in Pfaffing lenkte den Blick noch einmal auf die pflegebedürftige Person. Sie wolle unterhalten werden und brauche eine vertraute Stimme, die mit ihr spricht. Ein Pflegebedürftiger wisse möglicherweise nicht, was Ethik ist, aber er fühle sehr genau, wie mit ihm umgegangen werde.
Erst wenn man die technischen Gegebenheiten so nutzen könne, wie man es selbst möchte, werden sie in unserem Leben und der Pflege eine Rolle spielen, so Lisa Burr. Das ist nicht zu erreichen, wenn nicht alle in die Diskussion und Entwicklung von Robotik einbezogen werden.
Insbesondere gilt das für die heutigen Pflegekräfte und die jungen Menschen, die sich für diesen Beruf entscheiden.